Funkloch Jugend

Daniel [x] Wissenschaft

Sie sind auf der Jagd. Das Gebiet ist groß, der Weg, der vor ihnen liegt, eine echte Herausforderung. Sie jagen nach Füchsen, elektronischen Füchsen. Bevor der Wettbewerb startet, bekommen die Läufer einen Peilempfänger sowie Kompass und Karte übergeben. Der elektronische Fuchs ist ein Sender, der Signale in Form von Morsezeichen überträgt. Fünf von ihnen sind im Areal verteilt. Der Läufer muss zuerst alle fünf Sender anpeilen, um sich grob zu orientieren. Dann begibt er sich auf die Fährte des ersten Fuchses, folgt den gestrichelten Linien auf der Karte. Für Wanderer ist da kein Weg, aber die Jugendlichen nutzen jede Abkürzung. Die Schwierigkeit bei einer Fuchsjagd besteht darin, stets hellwach zu sein, damit der Läufer nicht an einem Sender vorbeiläuft.

„Fuchsjäger sind Leistungssportler“, sagt Gerd Buchhold. „Zwanzig Kilometer und mehr sind bei so einem Lauf keine Seltenheit.“ Er ist Distriktjugendleiter von Franken und trifft sich jeden Freitag mit seiner Jugendgruppe. Es wird viel gelötet und experimentiert, Bauteile werden verändert und Widerstände vergrößert. Bei schönem Wetter geht es nach draußen zur Übungsfuchsjagd. Da können die selbstgebauten Peilempfänger und Mini-Sender getestet werden. Die Jugendlichen sollen ein Gefühl für die Elektrotechnik gewinnen.

Zudem ist Buchhold an Schulen unterwegs. Sein Kurs gehört an der Ganztagsschule in Höchstadt an der Aisch zum Pflichtprogramm. Derzeit basteln die Schüler an einer Mini-Sirene. Buchhold sagt: „Alles, was krach macht und blinkt, kommt bei den Kindern gut an.“ Dazu wird ein Blatt Papier mit abgebildetem Schaltkreis auf ein Brett geklebt. An den gekennzeichneten Stellen werden Reisnägel gesteckt und verzinnt. Anschließend kommen die Bauteile hinzu. Dabei spielt die Sicherheit eine große Rolle. Die Schüler müssen sich an klare Regeln halten: Kein Trinken und Essen beim Umgang mit Lötzinn und immer gut die Hände waschen. Schutzbrillen sind ebenfalls pflicht, da Kolofonium im Lötdraht steckt, das bei winzigen Wassereinschlüssen explosionsartig verdampfen kann. Noten erhalten die Schüler keine, dafür ein Zertifikat am Ende des Jahres, was ihnen beim Bewerbungsverfahren helfen kann. Jedoch stammen die festen Mitglieder selten aus den Schulklassen. Die meisten werden von Freunden mitgebracht oder kommen durch Freizeiten in die Gruppe. Buchholds Überzeugung lautet: „Sie müssen nichts lernen, nichts mitschreiben. Wenn sie interessiert sind, merken sie es sich automatisch.“

Clubstation DLØHER

Im Jugendhaus Rabatz in Herzogenaurach befindet sich die Clubstation DLØHER. Von hier aus wird in die ganze Welt gefunkt. Die Wand ist tapeziert mit sogenannten QSL-Karten. Von Kanada bis Australien. Diese werden mit Stationen im Ausland ausgetauscht, sobald erstmals ein Funkkontakt zustande gekommen ist. Die unterschiedlichen Designs machen die Karten zu beliebten Sammlerstücken unter Funkamateuren. Hauptsächlich wird die Clubstation von Robert Weigl und Otto Grosch geleitet. Grosch präsentiert mir seine Sammlung mit bis zu vierzig Jahre alten Karten. Die beiden Rentner wollen sich an dem Standort für mehr Jugendarbeit einsetzen. Weigl, ehemaliger Rektor, erklärt die aktuelle Situation: „Das Ergebnis ist so spärlich. Die Jugend hat andere Interessen. Die Welt ist überlaufen von Technik.“

Hier werden Kenntnisse aus Amateurfunk und Elektrotechnik vermittelt. Der angebotene Kurs an Schulen ist auf freiwilliger Basis. Die Teilnehmer erhalten aber einen Vermerk im Zeugnis. An einem Tag präsentieren sie den Schülern die Station. „Unsere große Hoffnung ist, dass einige von denen auch regelmäßig in die Station kommen. Aber das funktioniert nur so lange, bis das Smartphone ins Spiel kommt“, sagt Weigl.

Mit dem Ausbildungsrufzeichen dürfen die Schüler sogar Funken. Dazu muss man sich mit Amateurfunkern anderer Stationen verabreden, da sonst keiner erreichbar sein könnte. Ein Ziel ist es, dass jeder am Ende seinen eigenen Namen morsen kann.

Ausnutzung einer Technik

Dabei ist Morsen nur ein kleiner Winkel des ganzen, was sich Amateurfunk nennt. Weigl drückt mir sein iPhone in die Hand mit den Worten: „Das ist, was ich mit Ausnutzung einer Technik meine.“
„Ein komplettes Menüfeld voller Amateurfunk-Apps?“, frage ich.
Er nickt. „Früher war Amateurfunk nur Kurzwelle und Morsen. Damit mehr Nachwuchs kommt, ist das aufgeweicht worden.“
Grosch und Weigl zeigen mir daraufhin am PC wie APRS-fi funktioniert. „Sie können sehen, wie ich von meiner Wohnung in die Station gefahren bin. Meine Frau kann das auch. Das heißt, sie hat mich an der langen Leine.“ Weigl lacht. Die meisten Amateurfunker haben einen Peilsender im Auto eingebaut. Dadurch lassen sich die Routen und Standorte auf dem Bildschirm nachverfolgen. Grosch kann hiermit sehen, was seine Verwandtschaft in Amerika gerade treibt.
Stolz präsentiert er ein Gerät mit Richtantenne, das Bildmaterial überträgt. Das ganze nennt sich Amateurfunkfernsehen. Er schaltet eine Kamera ein und ich sehe mich in dem kleinen Röhrenbildfernseher. „Wenn jemand gerade ATV angeschaltet hat, kann er Sie jetzt sehen“, sagt er.
Der Raum hat zwar die Größe einer Sammelumkleide im Schwimmbad, ist dafür aber voll mit technischen Apparaten. So gut wie alles selbst gebaut. Grosch ist froh, wenn er mal ein bisschen was vom Jugendhaus erstattet bekommt. Amateurfunk ist ein teures Hobby.

Mit drei Kindern will Buchhold zur nächsten Junioren-Europameisterschaft nach Bulgarien ans Schwarze Meer fliegen. Jedes Jahr findet entweder eine Europa- oder Weltmeisterschaft im Fuchsjagen statt, die von der internationalen Radiounion veranstaltet werden. Doch das Finanzielle dürfe man nicht außer Acht lassen. Zwar kann man beim DARC Mittel beantragen, das muss aber ein Jahr im Voraus geschehen. Die Problematik dabei: Jedes Jahr werden die Jugendleiter in den Ortsverbänden neu gewählt, und oft sind die Jugendlichen schon nicht mehr da, für die das Geld beantragt wurde. Gelegentlich kriegt Buchhold Zuschüsse bei Bausätzen für Ferienarbeiten. Alles andere zahlt er aus der eigenen Tasche. Jährlich finden in ganz Deutschland fünf Qualifikationsläufe statt. Sprit und Unterkunft gehen bei Buchhold und den Eltern ins Geld. Dazu kommt noch der Mangel an Bauteilen. „Man kriegt im Zuge der Minimalisierung vieles nicht mehr. Die einzigen, die noch Geräte bauen, sind die Chinesen, aber auch das lässt nach. Man ist auf Geräte von Leuten angewiesen, die das Hobby aufgegeben haben, oder auf selbstgebaute.“

Mit der Peilantenne zielt man wie mit einer Pistole und versucht, dass richtige Signal aufzuspüren. Jeder Fuchs sendet für eine Minute, dann der nächste. Nach fünf Minuten wiederholt sich das ganze. Ziel ist es, alle Füchse aufzuspüren und als Erster ins Ziel zu kommen. Start und Ziel sind auf der Karte vermerkt. Der Läufer zeichnet einen Peilstrahl auf die Karte in die Richtung, wo sich der Fuchs befindet. Nach fünf Minuten, wenn das Signal erneut erscheint, macht der Läufer einen weiteren Strich. So läuft er auf dem Peilstrahl entlang und nimmt eine Feinjustierung vor. Dort, wo sich zwei Strahlen schneiden, sollte sich der Fuchs versteckt haben. Erfahrenere Läufer brauchen das nicht mehr. Sie markieren lediglich ihren aktuellen Standpunkt auf der Karte mit einem Pin und folgen ihrem Gefühl.

Bei internationalen Wettbewerben sind vorrangig Ostblockländer vertreten. Dort ist der Amateurfunk noch ein Schulsport, was an den Einflüssen der militärischen Ausbildung liegt. „Jahrelang haben die uns in Grund und Boden gerannt“, gesteht Buchhold. „Ich bin froh, dass wir in letzter Zeit einige Läufer stellen konnten, die es mit ihnen aufnehmen können.“

Besonders hart für die Läufer ist es, dass sie keine Gegner sehen. Im Wald verläuft sich alles. Eine Begegnung in der Nähe eines Senders kommt nur selten vor. Da sind nur das Stakkatopiepsen des Peilempfängers und das endlose Baumstammgeflecht. Das hat den zusätzlichen Effekt, dass die Fuchsjagd nicht als Publikumssport funktioniert. In Polen und Tschechien ist zwar durchaus die Presse bis hin zum Fernsehen präsent, aber vom eigentlichen Wettkampf, der im Wald stattfindet, kann nur schwer berichtet werden. Um den Sport publikumsfreundlicher zu gestallten, wurden so neue Wettkampfformen entwickelt.

Foxoring und Sprinten

Der Sprintwettbewerb wurde eingeführt, um Fuchsjagden auch in Parks von Gemeinden durchzuführen. Damit sind die Läufer immer im Blickfeld der Zuschauer. Die Spielregeln sind an das kleinere Feld angepasst. Jeder Fuchs sendet nur jeweils zwölf Sekunden. Nach einer Minute sendet schon wieder der Erste. Es gibt zwei Sendersätze. Einer sendet auf Kurzwelle, der andere auf Ultrakurzwelle. Jeder Läufer muss erst eine Fläche mit einem Sendersatz abgrasen, um zum Zwischenziel zu gelangen. Dort muss er die Frequenz umschalten, da der andere Sendersatz auf Ultrakurzwelle sendet. So ein Wettbewerb ist in der Regel nach zwanzig Minuten vorbei. Eine normale Fuchsjagd dauert im Vergleich wesentlich länger. In dieser Disziplin hat Buchhold letztes Jahr einen Weltmeister gestellt, erzählt er mir.

Und dann gibt es noch das Foxoring. Hierbei werden kleine Kreise in die Karte eingezeichnet, worin sich die Füchse befinden. Der Läufer muss nur mit Hilfe von Kompass und Karte in ein Kreisgebiet finden. Dort erst werden die Mini-Sender hörbar und können angepeilt werden. Bei einer großen Veranstaltung werden alle Wettbewerbe innerhalb einer Woche durchgezogen. Buchhold: „Danach brauchen die Läufer erstmal Urlaub.“